Die zweite Runde im Prozess gegen Igor findet am kommenden Dienstag, 23.08.2016, um 10 Uhr statt. Am Landgericht Erfurt wird an diesem Tag erneut verhandelt, ob sich Polizist*innen von der Aussage „Auch Polizist*innen sind Rassist*innen!“ beleidigt fühlen dürfen oder ob es sich hierbei um die Feststellung einer Tatsache handelt.
Hintergrund des Prozesses ist, dass Igor am 24.10.2014 Versammlungsleiter einer Kundgebung vor dem Amtsgericht Erfurt durchgeführt hat. Bei dieser Kundgebung war auch ein Transparent zu lesen, das die Aussage „Auch Polizist*innen sind Rassist*innen!“ trug. Zwei anwesende Uniformierte kamen auf den Versammlungsleiter zu; deren Wortführer teilte mit, dass er sich durch dieses Transparent beleidigt fühle.
Igor steht an diesem Tag wieder vor Gericht, weil sich zwei Uniformierte der Thüringer Landespolizei von einem Transparent beleidigt fühlten. Dabei begleitete die Kundgebung einen Prozess im inneren des Justizzentrums. Diese Veranstaltung war der empirische Beweis für den Wahrheitswert der Aussage, dass auch Polizist*innen Rassist*innen sind, wie die Rote Hilfe Ortsgruppe Erfurt auf ihrer Website dokumentiert:
„B. stand vor Gericht, weil er bei einer offensichtlich rassistischen Personenkontrolle am 17.5.2014 am Anger in Erfurt einschritt und den Beamten, die ihre Kontrolle nicht abbrechen wollten, sagte, dass diese Rassisten seien. Die zwei Beamten waren eigentlich zur Sicherung einer Kundgebung angehalten, jedoch schien es ihnen ein Bedürfnis zu sein, Personen zu kontrollieren, die sie als nicht-weiß bzw. nicht-deutsch konstruierten (in den Akten steht „südländisches Aussehen“). Während dieser Gerichtsverhandlung wurde offensichtlich, dass das Gericht und die Staatsanwaltschaft rassistische Motive und Handlungen nicht als solchen erkannten. Die als Zeugen geladenen und auch bereits zur Personenkontrolle anwesenden Polizeibeamten überboten sich gemeinschaftlich mit den anderen anwesenden Polizeibeamt*innen sogar noch gegenseitig in ihrem Rassismus.
So musste sich Shariff als einzige Person vor der Glasfront des Gerichtes bis auf die Unterhose ausziehen, da auch keine*r der Polizist*innen sich die Mühe machte, die Anweisungen zu übersetzen – S. ist Schwarz. Tom, ein dunkelhäutiger Deutscher, wurde als Einziger bei der Einlasskontrolle gefragt, ob er ansteckende Krankheiten hätte. B. selbst wurde im Gericht das Wort entzogen, als er seine Auseinandersetzung mit seinem eigenen Rassismus und dem Rassismus Deutschlands ausführen wollte. Er verließ daraufhin aus Protest den Gerichtssaal.“
Es bleiben somit die Erfahrungen um den Prozess von B. am 24.10.2014, die Antwort auf die Frage, warum es zu so einem Prozess kommen musste (Rote Hilfe berichtete) und die in der ersten Instanz von Igors Verfahren dargelegten Beweise für den rassistischen Komplex in Polizeiapparat und Gesellschaft. Das reichte bisher nicht aus, um die zuständigen Richter*innen zu der gebotenen Einsicht zu bringen, dass es systematisches rassistisch motiviertes Handeln von Angehörigen der weiß-deutschen Mehrheitsgesellschaft gibt – insbesondere in Uniform, aber auch ohne.
Ebensowenig ist es gelungen, People of Color zu gewinnen, die in großer Zahl von rassistischen Übergriffen durch Polizeibeamte berichten, um vor Gericht als Sachverständige zugelassen zu werden. Die Angst vor staatlich legitimierten Vergeltungsmaßnahmen und Repression durch Polizeiangehörige ist bei diesen Freund*innen einfach zu groß.
„Es wird noch eine zeitlang dauern, bis Richter*innen of Color vor uns sitzen, um Recht zu sprechen, obwohl Oury Jalloh ermordet wurde und der NSU getötet hat“, erklärt Igor. Er lädt am 23.08.2016, 10:00Uhr zu seinem Prozess am Landgericht Erfurt, Zimmer E.48, Journalistinnen und Journalisten ein, aber insbesondere diejenigen Menschen, die den Prozess solidarisch begleiten.
Zimmer E.48, Landgericht Erfurt, Domplatz 37
Straßenbahn Linien 3,4,6, Haltestelle „Domplatz“
Bitte planen sie ausreichend Zeit zur Anreise ein, da traditionell mit zusätzlichen Körper- und Sachkontrollen zu rechnen sein wird.
Kontakt:
Igor
Tel. +491716020766 / Email: igor+pr@solidaris.me
Kontakt für Fragen zu rassistischer Polizeigewalt:
Herrn Thomas Ndindah (The VOICE Refugee Forum Jena)
Tel. +49176 99 621 504 / Email: thevoiceforum@gmx.de
Solidarität ist eine Waffe!