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Vortrag: §129 – Funktionsweise und Entstehungsgeschichte

Als im Februar 2010 Zehntausende in Dresden gegen Nazis auf die Straßen gingen und den faschistischen Aufmarsch durch Blockaden aufhielten, war dies ein großer Erfolg der antifaschistischen Bewegung. Anstatt dieses mutige Engagement gegen Nazis zu würdigen, griff die sächsische CDU-FDP Landesregierung unter Anfeuerungsrufen der NPD-Fraktion das breite antifaschistische Bündnis auf verschiedenen Ebenen an: Der Antifa-Protest wurde seitens der Landesregierung und ihrer beiden Regierungsparteien öffentlich diffamiert, eingesetzte Polizei drang unter Gewaltanwendung illegal in Wohn- und Arbeitsräume ein, das Landeskriminalamt Sachsen führte im Auftrag der Landesregierung rechtswidrig eine flächendeckende Mobilfunkzellen-abfrage in Dresden durch, von der laut Landesdatenschutzbeauftragtem ca. 257.000 Personen direkt betroffen waren, schließlich initiierte die Staatsanwaltschaft Dresden ein Ermittlungsverfahren nach § 129 StGB.

Sind Bündnisse gegen Nazis jetzt „kriminelle Vereinigungen“? Was steckt konkret hinter diesem offensichtlich politisch instrumentalisierten Strafrechtsparagraphen? In unserem Vortrag wollen wir das politische Gesinnungsstrafrecht in Deutschland einmal genauer unter die Lupe nehmen. Ziel ist es, die Funktionsweise und die Entstehungsgeschichte der §§129, 129a und 129b StGB und ihrer diversen Vorgänger eingehender zu beleuchten. Im Laufe des Vortrags werden wir dabei auf stets wiederkehrende Muster eines bürgerlichen Gesinnungsstrafrechts stoßen, das vor allem gegen linke, progressive Strömungen einer jeden Epoche gerichtet war/ist. Nicht konkrete Straftaten werden damit verfolgt, sondern oppositionelles Denken und progressive Weltanschauung als solche. Im Ergebnis geht es darum, politisch unliebsame Parteien, Gruppierungen und Bewegungen auszuforschen, zu kriminalisieren und gesellschaftlich zu isolieren. Auf unserer historischen Zeitreise durch knapp 220 Jahre politisches Strafrecht werden uns u.a. republikanische Demokraten, revolutionäre Sozialdemokraten und Kommunisten, linke Zeitungsredakteure und Buchhändler, Kriegsgegner und Frauenrechtlerinnen, Hausbesetzer und Stadtguerilla-Gruppen, Atomkraftgegner und Antifaschisten, linke Exil-Organisationen und Internationalisten begegnen. Sie alle wurden und werden unter dem Schlachtruf „Der Feind steht links!“ verfolgt.

Vortrag und Diskussion
Dienstag, 22. November, 20.30 Uhr
veto (Tromsdorfstraße 5, Erfurt)

Eine Veranstaltung der Roten Hilfe – Ortsgruppe Erfurt.

Solidaritätskundgebung gegen Hausdurchsuchung in Jena am Samstag in Erfurt

Am Mittwoch den 10. August fand in Jena eine Hausdurchsuchung bei Pfarrer Lothar König statt. Ihm wird Aufwiegelung zum Landfriedensbruch bei der Demonstration gegen Nazis in Dresden im Februar vorgeworfen. Zu diesem Anlass fand bereits am selben Tag eine kraftvolle Solidemo statt (Artikel bei Indymedia). Für morgen, Samstag den 13. August wird nun zu einer weiteren Solidaritätskundgebung in Erfurt aufgerufen. Nähere Informationen dazu findet ihr auf Sabotnik

Prozess gegen Lauti-Fahrer gegen Auflagen eingestellt – Kundgebung fällt aus

Der Prozess gegen Thomas, den Fahrer der Demonstration vom 16. April 2009 wurde gegen Auflagen eingestellt. Der Prozess sollte morgen, am Mittwoch den 8.6.2011 um 9 Uhr stattfinden. Von hier aus wurde dazu auch zu einer Kundgebung um 8 Uhr aufgerufen. Da der Prozess nicht stattfindet, entfällt nun auch die Kundgebung. Die Unterstützer_innengruppe hat dazu eine Pressemitteilung verfasst:

Prozess gegen Thomas eingestellt

Der für morgen, den 08. Juni 2011 um 9 Uhr vor dem Amtsgericht Erfurt angesetzte Pro­zess gegen Thomas, den Fahrer des Lautsprecherwagens auf einer Demonstration gegen die Räumung des Besetzten Hauses am 16.04.2009, findet nicht statt. Der Richter hat angeboten den Prozess gegen Auflage in Höhe von 100 Arbeitsstunden einzustellen. Dieses Angebot, das nach §153a der Strafprozessordnung möglich ist, haben sowohl die Staatsanwaltschaft, als auch der Angeklagte angenommen.

„Somit werden wir morgen die geplante Kundgebung vor dem Amtsgericht nicht abhalten“, sagte heute Vera Grone, eine Sprecherin der Unterstützer_innengruppe und dankte aus­drücklich für die in der letzten Zeit bekundeten Solidarität. „Mit der Einstellung wurde deut­lich, dass politisch und öffentlich geführte Prozesse den Druck auf die staatlichen Apparate erhöhen und sie nicht mehr ihr politisches Kalkül nach Belieben vollziehen können“, so Grone weiter. Ebenso schätze sie ein, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 26.05.2011 seinen Einfluss auf den Rückzieher zur Aburteilung von Thomas gehabt haben wird. Das Gericht stellte fest, dass sowohl die Gewahrsamnahmen, als auch die er­kennungsdienstlichen Maßnahmen gegen die Sitzblockierer_innen vor dem Tor des Be­setzten Hauses rechtswidrig waren.

„Die Annahme der Einstellung unter Auflagen bedeutet nicht, dass ich ein Eingeständnis zu einer Schuld oder Teilschuld vornehme, sondern vielmehr, dass ich mich dem politisch motiviert agierenden System von Anklage und Rechtsprechung weitestgehend entziehe und mich der Beliebigkeit eines Urteils nicht mehr aussetze“, so äußerte sich heute erst­mals der Angeklagte Thomas selbst. Dabei verwies er auf den langen und zermürbenden Prozesszirkus von Staatsanwaltschaft und Gericht, welches die Verhandlung bereits 5 mal ansetzte und immer wieder verschob. Außerdem bedankte er sich für die immer wieder in der Öffentlichkeit stattfindende Mobilisierung für Solidarität und Unterstützung.

„Offensichtlich konnte dem Versuch der Staatsapparate, durch den Prozess im Nachhinein die Polizeieinsätze vom 16.04.2009 als rechtmäßig festzustellen und zu legitimieren, noch einmal ein Riegel vorgeschoben werden“, äußerte sich Vera Grone. „Das Angebot des Richters, als auch das Eingehen durch die Staatsanwaltschaft darauf, macht einmal mehr deutlich, dass die Anklage gegen Thomas eine große überzogene Luftnummer gewesen ist und die Anklagepunkte nicht haltbar gewesen sind“, so Grone weiter.
Die Vorwürfe der schweren Körperverletzung, des gefährlichen Eingriffs in den Straßen­verkehr, dem Widerstand gegen die Vollstreckungsbeamten, der versuchten Körperverlet­zung und dem Verstoß gegen das Versammlungsgesetz wären unter dem Druck und der Beobachtung der Öffentlichkeit eingestürzt wie ein Kartenhaus. Diese Blamage wollten sie nach dem 26.05.2011 offensichtlich nicht schon wieder produzieren und stellten das Ver­fahren ein, schätzt die Unterstützer_innengruppe von Thomas die neuste Entwicklung ein.

Für nähere Informationen:
ugruppe.thomas( ätt )googlemail.com
rotehilfeerfurt.blogsport.de
platznehmen.blogsport.de

Hände weg von unserem Fahrer! – Diesmal wirklich!

Auf einer Demonstration gegen die Räumung des Besetzten Hauses in Erfurt wird Thomas plötzlich von einem Greiftrupp der Polizei unter Einsatz von Pfefferspray aus dem Lautsprecherwagen gezerrt und festgenommen. Er soll einen Polizisten angefahren und sich bei der Festnahme gewehrt haben. Jetzt, zwei Jahre später, soll ihm nun der Prozess gemacht werden. Wir sind solidarisch mit Thomas und kritisieren das polizeiliche Vorgehen und die Kriminalisierung von Protesten!

Am 16. April 2009 wurde das Besetzte Haus auf dem ehemaligen Topf & Söhne Gelände in Erfurt brutal von der Polizei geräumt. Dies veranlasste zahlreiche Unterstützer_innen der acht Jahre währenden Besetzung dazu, bundesweit an Solidaritätsaktionen teilzunehmen oder eigene zu organisieren. Auch Thomas solidarisierte sich durch Fahren des Lautsprecherwagens auf einer Demonstration nach der Räumung in Erfurt. Als sich der Demonstrationszug vom Anger aus in Richtung Fischmarkt bewegen wollte, stürmte die Polizist_innen plötzlich den Lautsprecherwagen. Sie zerrten Thomas unter Einsatz von Pfefferspray aus dem Wagen und verhafteten ihn. Heute, mehr als zwei Jahre später, am 8. Juni 2011, beginnt der Gerichtsprozess gegen ihn. Die willkürlichen Tatvorwürfe laut Anklageschrift lauten: „Verstoß gegen das Versammlungsgesetz jeweils in Tatmehrheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung“.

Dass diese Vorwürfe nicht nur völlig überzogen erscheinen, sondern hinter dem Vorgehen der Polizei bewusstes politisches Kalkül steckt, lässt sich an der damaligen Demonstration und dem kommenden Prozess gegen Thomas aufzeigen. Am Abend des 16. April 2009 versammelten sich mehrere hundert Menschen, um mittels einer Demonstration gegen die am Morgen stattgefundene Räumung des Besetzten Hauses auf dem ehemaligen Topf & Söhne Gelände in Erfurt zu protestieren. Bereits vor Beginn der Demo zeichneten sich die anwesenden „Sicherheitskräfte“ durch aggressives Verhalten aus.

Unzählige Vorkontrollen wurden durchgeführt und eine Reihe von Personalien aufgenommen. Als die Demo loslaufen wollte, kam es zu Übergriffen der Polizei auf die Demonstrationsteilnehmer_innen, in deren Verlauf mehrere Personen, darunter der Angeklagte, festgenommen wurden. Pfefferspray und Schlagstöcke wurden eingesetzt. Die Polizei wollte die Demo mit Gewalt am Loslaufen hindern. Von der Polizei wurde behauptet, dass nur eine Standkundgebung angemeldet gewesen sei, dass einzelne Demoteilnehmer_innen vermummt gewesen seien oder einfach, dass sich potentielle Straftäter_innen unter den Demonstrant_innen befänden. Über eine Stunde wurde die Demonstration am Anger festgesetzt. Der Polizei war offensichtlich daran gelegen, die Demonstration zu verhindern oder zumindest möglichst lange aufzuhalten und zu schikanieren. Diese Zustände sind nicht neu. Wer häufiger Demonstrationen oder Kundgebungen besucht oder einfach so in Kontakt mit der Polizei kommt, weiß, wie oft Polizist_innen scheinbar willkürlich handeln. Wie Gesetze nach eigenem Gutdünken ausgelegt und vollzogen werden. Wie ihnen missliebige Personen oder Personengruppen schikaniert und in politische Versammlungen hineingeprügelt, diese verboten oder an den Stadtrand verdrängt werden. Offensichtlich erscheint dabei, dass nicht nur die_der einzelne, ausführende Polizist_in scheinbar willkürlich handelt, sondern dass dahinter politische Entscheidungen stehen. Dass der Protest gegen die Räumung nicht gewollt war, zeigt dieser aggressive Polizeieinsatz deutlich.

Der Prozess gegen Thomas und Prozesse gegen andere Angeklagte haben unter anderem die Aufgabe, den Umgang mit den Demonstrationsteilnehmer_innen und die Handlungen der Polizei dabei im Nachhinein zu legitimieren. Wenn die zuvor anhand sehr weit ausgelegter Gesetze Festgenommenen nun beschuldigt und angeklagt werden, ist es für die Polizei politisch nützlich, von einem Gericht ihr Vorgehen bestätigt zu bekommen. So soll die Legitimation nachgeholt werden, in der Vergangenheit alles richtig gemacht zu haben. Ein gerichtliches Verfahren soll somit dazu dienen, die Polizei in ihrem Handeln auch für die Zukunft darin zu bestärken, genauso vorgehen zu können. Gleichzeitig sollen eventuell verurteilte Angeklagte kriminalisiert und Protest delegitimiert werden. Dies dient den staatlichen Repressionsorganen zur Abschreckung. Menschen sollen eingeschüchtert werden und sich nicht mehr trauen, ihren Protest auf die Straße zu tragen. Alle Lautiwagenfahrer_innen von Demonstrationen müssen gegebenenfalls, bei einer eventuellen Verurteilung von Thomas, mit ähnlichen repressiven Maßnahmen rechnen. Dem können wir nur entgegenwirken, wenn wir Thomas unterstützen, ihn bei seinem Prozess begleiten und wenn wir trotz der eventuell neuen Risiken weiter Lautiwagenfahrer_innen bleiben. Wir mucken nicht nur auf, dass wir ungerecht behandelt werden – wir haben ein Herz für den Aktivismus gegen diese Logik polizeilicher Vorgehensweise – trotz Staatlicher Repression!

Die Alltäglichkeit dieses Vorgangs ist ein Grund mehr, ihn zu kritisieren und dagegen vorzugehen. Wenn am 8. Juni der Prozess gegen Thomas eröffnet wird, spielt für die_den Richter_in das oben Genannte sicher nur eine untergeordnete Rolle. Dann geht es nur um eine individuelle Schuld oder Unschuld von Thomas, um individuelle Taten von Polizist_innen und anderen Zeug_innen. Es liegt an uns, die dargestellten Zusammenhänge zu thematisieren und an die Öffentlichkeit zu bringen. Es liegt auch an uns, Thomas solidarisch zur Seite zu stehen, denn jede_r von uns hätte zu diesem Zeitpunkt von der Polizei verprügelt und verhaftet werden können. Wen es trifft ist polizeiliche Willkür, dass es passiert ist politisches Kalkül! Angeklagt ist Thomas allein – gemeint sind wir alle!

Kommt zur Kundgebung „Hände weg von unserem Fahrer!
Am Mittwoch, dem 8. Juni um 08.00 Uhr vor dem Amtsgericht in Erfurt!
Begleitet den Prozess ab 09.00 Uhr im Sitzungssaal 8.
Solidarität mit Thomas!

Kontakt: rotehilfeerfurt.blogsport.de || ugruppe.thomas (ätt ) googlemail.com

Repressions-Soli-Konto für von staatlicher Repression Betroffene im
Zusammenhang mit Hausbesetzungen in Erfurt:
Reinhold Halbleib, Spk. Mittelthüringen, Konto-Nr.: 1000500337, BLZ:
82051000

Anlaufstelle ab 12. Mai jetzt erst 19 Uhr

Wegbeschreibung Die nächste Anlaufstelle der Roten Hilfe Erfurt findet diesmal am Donnerstag dem 12. Mail 2011 im Filler (Schillerstrasse 44, Hinterhof) um 19.00 statt.

Diese und alle zukünftigen Anlaufstellen beginnen eine halbe Stunde später als bisher (jetzt: 19 Uhr). Der Tag bleibt der Gleiche (Zweiter Donnerstag im Monat).

Betroffene staatlicher Repression können sich wie immer dort bei uns melden.