Pressemitteilung der Soligruppe 1708 vom 12. Juni 2014.
„Aufgabe der Justiz ist der Schutz von Polizeibeamten“
Am Dienstag, den 10. Juni 2014, fand die erste Verhandlung gegen einen Antifaschisten statt, der im August letzten Jahres gegen die NPD protestiert hatte. Der Prozess wurde am gleichen Tag beendet, das Verfahren wegen „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ eingestellt.
Robert, der wie viele andere am 17. August 2013 gegen die antimuslimische, rassistische Hetze der NPD auf die Straße ging und an einer angemeldeten Kundgebung der Antifaschistischen Koordination Erfurt (ake) teilnahm, stand zehn Monate später vor Gericht. Zu verantworten hatte er sich wegen angeblichen „Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte“. Zum ersten und schließlich auch letzten Verhandlungstag hatte die vorsitzende Richtern Niethammer vier Polizeibeamte der Bereitschaftspolizei Erfurt geladen, die an jenem Tag eingesetzt waren. Zusätzlich wurden als Beweismittel polizeiliche Videoaufnahmen verwendet.
Zur Verhandlung.
Bevor die Beamten zur Sache befragt wurden, sichteten Staatsanwalt und Richterin – nach eigenen Aussagen – erstmals die Videoaufnahmen, welche die Tat nachweisen sollten. Dabei stellte die Richterin überrascht fest, dass die Aufnahmen in Hinblick auf den zu klärenden Sachverhalt, fast gänzlich untauglich sind. Dass die Staatsanwaltschaft den Vorwurf der Polizei gegen Robert im Vorfeld nicht ausreichend geprüft hat, scheint offenbar, wenn nicht einmal die Beweisvideos gesichtet wurden. Robert und sein Verteidiger hatten sich im Vorfeld jedoch auf so eine Situation eingestellt, sodass ein Ringen zwischen Staatsanwalt, Richterin und Verteidiger um die Deutung verschiedener Bewegungen in einzelnen Sequenzen folgte. Eine Widerstandshandlung konnte durch die Aufnahmen nicht belegt werden, vielmehr spiegelten diese das Chaos des Polizeieinsatzes vom 17. August wider.
Die Richterin zog daraufhin die geladenen Polizeibeamten einzeln als Zeugen hinzu. Lediglich Polizeiobermeister Haupt – prominent auf den Bildern der Festnahme von Robert zu erkennen, von großer Statur mit blonden kurzen Haaren – belastete Robert, indem er von einem Schubsen gegenüber einem weiteren Beamten berichtete. Außerdem soll Robert sich einem Polizeitrupp mit geballten Fäusten in den Weg gestellt haben. Durch die Befragung der verbliebenen drei Beamten (Schulz, Michel, Polinski) konnte kein Schubsen bestätigt werden. Vielmehr fragte die Richterin nach dem angeblichen Tatverlauf und der vorangegangen Situation, sodass sie feststellte „dass sie [gemeint ist der Angeklagte] von hinten angegriffen wurden, ist klar.“ Robert wurde von den Beamten auf dem Weg zu einer Maßnahme gegen einen weiteren Protestierenden angerempelt und geschubst. Dass er daraufhin – wie auf dem Video zu erkennen war – die Hände zu Fäusten geballt schützend vor den Kopf hielt, galt dann der Richterin jedoch nicht als angemessene menschliche Reaktion, sondern als mutmaßlicher Widerstand. Davon ließ die Richterin nicht ab.
Unsere Einschätzung.
Bei den Befragungen der Polizeibeamten wurde weiterhin deutlich, dass Robert durch sein auffälliges Äußeres (schwarz- grüne Lederjacke mit Aufnähern und Frisur) schon zu Beginn der Kundgebung in den Fokus aller vier Beamter geraten war. Allein das „Wiedererkennen“ könnte ihm zum Nachteil geworden sein – unabhängig davon, was tatsächlich auf der Kundgebung geschehen ist. Die BFE entschied gerade ihn aus der Menge zu isolieren und schließlich anzuklagen.
Die Anklage gegen Robert sollte – aus unserer Sicht – das brutale Vorgehen der Polizei gegen die Teilnehmer*innen der Protestkundgebung an diesem Tag legitimieren. Staatsanwaltschaft und Richterin nahmen dies wohl willfährig an. Schließlich sei es – nach Aussage der Richterin – Aufgabe der Justiz die Polizeibeamten zu schützen. Demgemäß wurde den Aussagen der Polizeibeamten mehr Glauben geschenkt als denen des Angeklagten. Hier bestätigte sich leider wiedereinmal die Erfahrung aus vielen Prozessen: Im Zweifel wiegen die Aussagen der Polizeibeamten schwerer als diese der betroffenen Angeklagten.
Angebot der Einstellung.
Überraschend bot der Staatsanwalt, zum Ende der Befragungen der geladenen Beamten und in Aussicht eines weiteren Verhandlungstages mit zwei weiteren Beamten als Zeugen, eine Einstellung des Verfahrens an, worauf die Richterin eher widerwillig einging. Dem Angeklagten riet sie dieses Angebot anzunehmen, da sie ihn näher am Schuld- als am Freispruch sah. Mit Zustimmung von Robert wurde das Verfahren wegen „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ eingestellt. Dennoch entging er nicht einer unangebrachten Belehrung durch die Richterin, aus diesem Fall zu lernen. Was auch immer daraus zu lernen ist… vielleicht das nächste Mal in schwarz?
Aus unserer Sicht ist dies ein typischer Fall von Repression und gerade deshalb auch unbedingt zu unterstützen. Daher bitten wir euch, für Robert und die weiteren Betroffenen zu spenden, sodass die entstandenen Kosten von vielen getragen werden.
Denkt außerdem daran, nach dem Prozess ist vor dem Prozess!
Der Termin für die Verhandlung gegen Sebastian steht schon fest: Mittwoch, den 09. Juli, um 13 Uhr, Sitzungssaal 18, Amtsgericht Erfurt. (Achtet auf Ankündigungen!)
Denn gemeint sind wir alle! Solidarität ist unsere Waffe!
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