Wir veröffentlichen einen Text einiger der Menschen, die mit einer Sitzblockade gegen die Räumung des Besetzten Hauses am 16.04.2009 protestierten, und sich nun auf juristischer Ebene gegen Polizeiwillkür wehren.
Gegen Polizeiwillkür und Repression
Warum wir uns auf juristischer Ebene gegen Polizeiwillkür wehren
Ein Teil der bei der Räumung des Besetzen Hauses auf dem ehemaligen Topf&Söhne-Gelände in Erfurt in Gewahrsam Genommenen will auf dem Rechtsweg feststellen lassen, dass das Vorgehen der Polizei zum Teil rechtswidrig war und zum Teil dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit widersprochen hat. Dazu haben jetzt vier Personen vor dem Verwaltungsgericht Weimar eine Fortsetzungsfeststellungsklage eingereicht.
Am 16.4. fand eine Versammlung vor dem Haus statt, um gegen die Räumung des Geländes zu demonstrieren. Zeitgleich mit der Räumung wurden die im Umfeld des Hauses angetroffenen Menschen stundenlang in kleine Zellen in Gefangenentransportern eingesperrt, die entweder zu heiß oder zu kalt waren. Ihnen wurde Nahrung und Getränke verweigert, teilweise auch der Gang zur Toilette. Eine Gefangene hatte einen Asthmaanfall, was die BeamtInnen lange ignoriert haben. Minderjährige wurden rechtswidrig erkennungsdienstlich behandelt und verhört und ihre Eltern wurden über ihren Verbleib im Unklaren gelassen. Weiter wurde einem Teil der Gefangenen das Telefonieren nicht gestattet. In Verhören wurden die Betroffenen unter Druck gesetzt, wobei zum Teil irrwitzige Tatvorwürfe vorgebracht wurden. Erst am nächsten Morgen wurden die letzten Gefangenen entlassen — teilweise ohne dass sie einem Richter vorgeführt wurden. Mehr als ein Dutzend Gefangene musste nach der Räumung in ärztliche Behandlung.
Generell war der Polizeieinsatz von Brutalität und Willkür geprägt. Und auch der Kommentar „Denk mal darüber nach, was Du Deinen Eltern damit antust!“ eines beteiligten Polizisten bringt auf den Punkt, dass es am 16.4. nicht nur um die Sicherung der Räumung, sondern vor allem um eine Bestrafung der mutmaßlichen BesetzerInnen ging.
Wir klagen nun gegen das Land Thüringen, um die Unrechtmäßigkeit dieses Einsatzes feststellen zu lassen – nicht, weil wir glauben, dass der Staat ein neutraler Schiedsrichter ist, der friedliche Verhältnisse garantieren würde. Gerade wenn es um Verfahren gegen Polizeigewalt geht, zeigen die Zahlen deutlich, dass er das nicht ist – nicht einmal eins von hundert Verfahren führt zu einer Verurteilung.
Aber wir wehren uns dagegen, dass die Repression vom 16.4. einfach in Vergessenheit gerät. Wir wollen diese vom Staat verübte Gewalt nicht akzeptieren. Wir haben nichts falsch gemacht, als wir uns wie viele andere auch für den Erhalt des Besetzen Hauses Erfurt eingesetzt haben.
Wir denken, dass wir mit einem erfolgreichen Verfahren deutlich die Wahrscheinlichkeit dafür verringern können, dass zukünftige Polizeieinsätze so skandalös ablaufen wie der bei der Räumung. Das „Mutlangen-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts von 1986 hat festgestellt, dass ziviler Ungehorsam keine Straftat, sondern vielmehr legitime Ausdrucksform des öffentliches Protests ist. Damit wurde ein Versuch, Widerstand zu kriminalisieren, auf juristischem Wege abgewehrt. Hinter diese Errungenschaft – so dünn sie sein mag – wollen wir nicht zurück. Auch deswegen klagen wir.
Es ging am 16.4. darum, uns einzuschüchtern, damit wir uns nicht weiter am Kampf um besetzte Räume beteiligen. Das lassen wir uns nicht gefallen und wollen auch anderen Menschen Mut machen, sich gegen Repression zu wehren. „Auf allen Ebenen, mit allen Mitteln“ – und das schließt eben manchmal auch den Rechtsweg mit ein.