31. Antifaschistischer & antirassistischer Ratschlag Thüringen: 4./5. November 2022 in Gera

Am kommenden Wochenende ist es soweit, der Ratschlag findet  statt! Wir freuen uns, vor Ort in Gera sein zu können und viele Genoss:innen wiederzusehen. Ihr findet uns am Infotisch!

Freitag, 4. November 2022, Häselburg (Burgstr. 12, Gera), Start: 17:00 Corona-Schnelltesten oder getestet zum Mahngang um 18:00 kommen

Samstag, 5. November 2022, Häselburg (Burgstr. 12, Gera), ab 10:00 Podium, Workshops, Infotische, Futtern, Konzert

Auf folgende Workshops am Samstag in unserem Themenbereich wollen wir besonders hinweisen (anderes Spannendes gibts auch!):

#10 Let’s organize Antifa / WORKSHOP-PHASE 1

#14 Repression gegen Antifas in Thüringen – die letzten zehn Jahre und die Perspektive / WORKSHOP-PHASE 2

#19 Demo-ABC. Skillsharing für Einsteiger:innen / WORKSHOP-PHASE 2

Als linke Solidaritätsstruktur, die den strömungsübergreifenden Charakter des Kampfes gegen Repression betont, freuen wir uns über die zentralen Feststellungen im Aufruf des 31. Ratschlags:

Delegitimierung und Kriminalisierung von Antifaschismus

Ein Instrument dieser Delegitimierung ist der Extremismusbegriff und die damit legitimierte Praxis von Deradikalisierung und Extremismusprävention. Dem Konzept liegt der Glaube zugrunde, die Gesellschaft lasse sich in eine Mitte und ihre links und rechts zu verortenden politischen extremen Rändern einteilen. Damit werden linke, emanzipatorische Bestrebungen mit der menschenverachtenden Ideologie und Praxis von Nazis gleichgesetzt. Entsprechend sollen Bildung, Beratung und Vernetzung gegen Rechts mittels Fördermittellogik und Steuerrecht (Entzug der Gemeinnützigkeit) so enggeführt werden, dass das Ziel ist, dann nicht mehr eine Erweiterung von Handlungsfähigkeit und das Zurückdrängen von Ideologien der Ungleichheit ist, sondern die Zustimmung zu den aktuell herrschenden Formen von Mitbestimmung, anders gesagt: Strammstehen für die Demokratie. Dass dabei die Gewaltförmigkeit von Staat sowie die Verbreitung menschenverachtender Einstellung innerhalb der vermeintlichen Mitte der Gesellschaft ausgeblendet werden, ist gewollt. Ebenso werden etablierte Akteure im Feld genötigt, sich von radikaleren Bestrebungen und Gruppen zu distanzieren, was auf eine Schwächung des Engagements gegen Rechts hinausläuft.

Aus diesem Interesse heraus lässt sich auch die Gründung eines Thüringer Untersuchungsausschusses gegen „politisch motivierte Gewaltkriminalität“ – initiiert von der CDU – bewerten. In der Beschreibung dessen, worüber der Untersuchungsausschuss aufklären soll, verschwimmt nicht einfach die Differenzierung zwischen den sogenannten politischen Extremen. Die Doktrin des Extremismus wird zur Dämonisierung von links herangezogen: Mehrfach ist von den Gefahren des „Linksextremismus“, gar „-terrorismus“ die Rede. Nirgends von „Rechtsextremismus“ und von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt nur da, wo infrage gestellt wird, dass es dahingehend eine große Dunkelziffer in Thüringen gäbe.

Diese Einschätzung scheint im Widerspruch dazu zu stehen, dass mit dem Auffliegen des „NSU“ und dem Offenbarwerden der Verstrickungen des Verfassungsschutzes in die Mordserie deutlich geworden ist, dass mörderische Gewalt von Neonazis und staatlichen Behörden ausgeht – etwas, das sich auch außerhalb Thüringens und nicht zuletzt an den Grenzen der EU immer wieder bestätigt. Tatsächlich beschreibt es treffend das politische Klima, in dem wir uns befinden.

Auch die Repression gegen Linke, die im Antifa Ost-Verfahren ihren aktuellen Höhepunkt findet, ist Ausdruck dessen. Seit September 2021 sind Antifaschist*innen vor dem Oberlandesgericht Dresden von der Bundesanwaltschaft angeklagt, denen die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen wird. Diese Vereinigung soll gezielt Angriffe auf Neonazis in Sachsen und Thüringen verübt haben. Durch das Verfahren und die Ermittlung, mit dem an den Angeklagten ein Exempel statuiert werden soll, wird offensives Vorgehen gegen Nazis zunehmend kriminalisiert und delegitimiert. Der Ausgang des Prozesses wird vermutlich neue Maßstäbe der Strafverfolgung gegen Antifaschist*innen setzen. Am Landgericht Gera ist ein Verfahren gegen mindestens drei Beschuldigte desgleichen §129-Verfahrens anhängig.

Was sich an den Ereignissen des Verfahrens außerdem zeigt, ist, dass der viel beschworene Solidarität auch Grenzen innerhalb der eigenen Strukturen gesetzt sind. In einem Outcall gegen einen derer, die (ehemals) dem Kreis der Beschuldigten zuzuordnen waren, wurde dessen sexuelle Gewalttätigkeit offengelegt. Vormals sollte dieser Täter nach Abschluss der Verhandlung in Dresden, in Gera vor Gericht stehen gemeinsam mit drei weiteren Beschuldigten. Ein Deal mit den Ermittlungsbehörden und der Eintritt in ein Zeugenschutzprogramm wird dies obsolet werden lassen. Das politisch geführte Verfahren gegen konsequenten Antifaschismus soll dennoch solidarisch begleitet werden. Die Gemengelage aus Täterschaft und einem ermöglichenden schützenden Umfeld ist eine enorme Herausforderung für die Antirepressionsarbeit.

Die Vielzahl von Outcalls durch Betroffene sexualisierter Gewalt der letzten Jahre aus Thüringen und anderen Bundesländern, in denen sexistisches Verhalten und sexualisierte Gewalt von Männern aus der linken Szene, Parteien und Gewerkschaften sichtbar gemacht wurden, haben die enormen Herausforderungen deutlich gemacht. Mit denen wir uns auch auf dem Ratschlag immer wieder kritisch auseinandersetzen und ihnen wir praktisch – z.B. durch Aufbau einer Awarenessstruktur und Ausschluss von Tätern – begegnen müssen. Allerdings darf diese Beschäftigung nicht auf den Ratschlag begrenzt werden. Patriarchales und sexistisches Verhalten begegnet uns in vielen Bereichen, in denen wir organisiert sind. Der Ratschlag kann daher nur ein Startpunkt zur Auseinandersetzung für die beteiligten Organisationen sein.

Daran wird eine Schwierigkeit deutlich vor der Antifaschist*innen stehen. Wir dürfen in der Konfrontation mit den äußeren Widersprüchen wie etwa der staatlichen Repression nicht über die eigenen Widersprüche wie Sexismus und Mackertum innerhalb unserer Strukturen und Organisationen hinweg gehen, weil das scheinbar strategisch geboten erscheint. Nur dann können wir durch den Ratschlag einen Raum schaffen, in dem wir offen, kontrovers und solidarisch für eine bessere Gesellschaft streiten können, auch dann, wenn diese Utopie in weiter Ferne scheint.

Kommt am 04. und 05. November zum Ratschlag in Gera.

Aktuelle Informationen zum Programm und Aufruf auf der goodold-Website des Ratschlags: http://ratschlag-thueringen.de/index.htm