“Alter Fritz”: Freispruch in Erfurt

Mit einem Freispruch endete am Freitag, 6. Februar, das Strafverfahren gegen eine Frau aus dem Landkreis Gotha, die wegen der Beteiligung am Überfall auf die Nazikneipe “Alter Fritz” am 23. Juni 2007 angeklagt war. Die Verhandlung vor dem Amtsgericht Erfurt dauerte nur eine Dreiviertelstunde. Der einzige Belastungszeuge hatte lediglich beobachtet, daß die Betroffene in der Demo mitgelaufen war; an Gewalttätigkeiten habe sie sich nicht beteiligt. Wegen des Angriffs auf den “Alten Fritz” läuft noch ein weiteres Verfahren gegen eine Frau aus Jena, wobei die Staatsanwaltschaft eine Einstellung gem. § 154 StPO ohne weiteren Prozeß anstrebt.

Den Angriff auf den “Alten Fritz” hatte der CDU-Abgeordnete Michael Panse im Sommer 2007 zum Anlaß für eine Landtagsanfrage zum “Linksextremismus” genommen. Später schaltete sich auch die Erfurter NPD ein und veröffentlichte Namen und Adressen von elf der vierzehn kurz nach dem Überfall festgenommenen Antifaschisten im Internet. Diese persönlichen Daten waren den Nazis von einem Angehörigen der Polizei oder einer anderen Behörde zugespielt worden.

Daß diese Angelegenheit jetzt einen so erfreulichen Ausgang genommen hat, liegt auch daran, daß von den vierzehn Verhafteten kein einziger eine Aussage bei der Polizei gemacht hat. An dieses Beispiel sollten alle in Zukunft denken!

Quelle: Rote Hilfe Ortsgruppe Jena

ACHTUNG! Neues zum Zahnschutz

In unseren Rundbriefen 1/08 (PDF) und 2/08 (PDF) berichteten wir von zwei Verfahren gegen Genossen, bei denen in der Nähe von Versammlungen ein Zahnschutz gefunden wurde. Nachdem im ersten Verfahren das Amtsgericht Erfurt freigesprochen hatte, hat sich die Lage inzwischen geändert. Zwar wurde der Marburger Genosse in der Berufungsverhandlung nicht verurteilt (Einstellung im Hinblick auf eine andere Verurteilung gem. § 154 StPO). Das Landgericht Erfurt erklärte jedoch, daß es einen Zahnschutz für eine Schutzwaffe nach § 27 des Versammlungsgesetzes hält.
Mit diesem Wissen um einen sicheren Erfolg erschien am 29. Januar 2009 ein Erfurter Oberstaatsanwalt als Sitzungsvertreter in der erneuten Verhandlung gegen den Weimarer Genossen. Vor die Alternative gestellt, einer Einstellung zuzustimmen und 10 Stunden gemeinnützige Arbeit zu leisten oder sich auf ein langes Verfahren bis hin zum Oberlandesgericht einzulassen, entschied sich der Genosse für das überschaubarere Übel.

Was bedeutet das für alle Aktivisten?


Die Rechtsfrage, ob ein Zahnschutz eine “Schutzwaffe” ist, ist bislang nicht höchstrichterlich geklärt. Die Argumente dagegen sind stark und das Landgericht Cottbus hat dementsprechend entschieden. Zumindest im Landgerichtsbezirk Erfurt muß jedoch mit Strafen gerechnet werden, die erst vom Thüringer Oberlandesgericht kassiert werden können.
Wir verstehen gut, daß Betroffene Einstellungen vorziehen. Wir möchten Euch aber ermutigen, diesen Streit auszutragen, wenn Ihr selbst betroffen seid. Zumindest das Kostenrisiko können wir Euch weitgehend abnehmen (unbedingt vorher mit der Roten Hilfe Jena absprechen!)
Die uns vorliegenden Berichte deuten darauf hin, daß die Strafverfolgung wegen derartiger Demonstrationsdelikte (Mundschutz, Halstuch etc.) deutlich strenger wird. Betroffen sind vor allem Jugendliche. In dieser Lage benötigen wir geeignete Präzedenzurteile, die diese Entwicklung bremsen oder aufhalten.